Auto: Kraftstoffverbrauch höher als im Prospekt? Rücktritt vom Kaufvertrag möglich - Urteil des OLG Hamm - Informationen vom Rechtsanwalt für Kaufrecht der Kanzlei HAZ in Offenburg.
Nach einem Urteil des Oberlandesgericht Hamm kann der Käufer eines Neuwagen dann zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt sein, wenn der Kraftstoffverbrauch eines Pkw unter den Bedingungen im Typengenehmigungsverfahren nach EG-Richtlinie 80/1268 den im Verkaufsprospekt angegebenen kombinierten Verbrauchswert um mehr als 10 % überschreitet.
In dem vom Oberlandesgericht Hamm zu entscheidenden Fall hatte der Kläger die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Neufahrzeug verlangt. Bevor der Kläger dieses Fahrzeug bestellte, nahm er Einblick in den Verbrauchsprospekt. Darin war angegeben, dass das Fahrzeug folgende Mengen Super-Kraftstoff verbraucht:
Verbrauch: 5,6l/100km nach 1999/100 EG
innerorts 10,3
außerorts 6,2
kombiniert 7,7
(Messverfahren gem. RL 80 /1268/EWG in der gegenwärtig geltenden Fassung, Verbrauchswerte ohne Zusatzausstattung, mit eingeschalteter Klimaanlage erhöht sich der Verbrauch um ca. 0,2 l/100km)
Nach der Fahrzeugübergabe beanstandete der Kläger bei der Beklagten zu hohe Verbrauchswerte von durchschnittlich 13 l/100 km. Die Beklagte versuchte anlässlich eines Werkstattaufenthaltes am 15.02.2010, die Verbrauchswerte zu optimieren. Gleichwohl blieb der Kläger auch in der Folgezeit mit den Verbrauchswerten unzufrieden. Die Beklagte stellte dies als Stand der Technik dar; der Verbrauch könne nicht weiter gesenkt werden. Daraufhin ließ der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 29.04.2010 den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären.
Das Gericht hat festgestellt, dass der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges verlangen kann, denn der Kläger war zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Das gesetzliche Rücktrittsrecht ergab sich nach Auffassung des Gerichts daraus, dass dem vom Kläger gekauften Fahrzeug eine Beschaffenheit fehlte, die der Kläger nach dem Verkaufsprospekt des Herstellers erwarten durfte. Aus dem Verkaufsprospekt
ergab sich, dass das Fahrzeug ohne Zusatzaustattung nach dem Messverfahren gem. RL 80/1268/EWG den oben dargestellten Kraftstoffverbrauch haben soll.
Aus dieser Angabe folgt nach Auffassung des Gerichts zwar keine Sollbeschaffenheit in dem Sinne, dass diese Verbrauchswerte im Alltagsgebrauch des konkret erworbenen Fahrzeugs erreicht werden müssten. Denn ein verständiger Käufer weiß, dass die tatsächlichen Verbrauchswerte von zahlreichen Einflüssen und der individuellen Fahrweise des Nutzers abhängen und deshalb nicht mit den Prospektangaben gleichgesetzt werden dürfen, die auf einem standardisierten Messverfahren beruhen Der Käufer kann aber erwarten, dass die im Prospekt angegebenen Werte unter Testbedingungen reproduzierbar sind. Das war bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht der Fall.
Bei Fragen im Zusammenhang mit dem Kauf oder der Reparatur eines Kraftfahrzeuges ist somit ratsam einen fachkundigen Anwalt hinzuzuziehen.
Urteil: Oberlandesgericht Hamm, 07.02.2013 - I-28 U 94/12