Selbst wenn ein Verstoß gegen Dienstpflichten festgestellt werden kann, so kann der Dienstherr eine Disziplinarmaßnahme nicht nach freiem Ermessen festsetzen - Informationen vom Rechtsanwalt für Beamtenrecht in Offenburg.
Die Zahl der gegen Beamten geführten Disziplinarverfahren hat in den letzten Monaten zugenommen. Wir bieten eine rechtliche Beratung und Vertretung sowohl im strafrechtlichen als auch im beamtenrechtlichen Bereich. Selbst wenn ein Verstoß gegen Dienstpflichten festgestellt werden kann, so kann der Dienstherr eine Disziplinarmaßnahme nicht nach freiem Ermessen festsetzen. Der Dienstherr verkennt oftmals die gesetzlichen Maßstäbe.
Bei der Bemessung einer Disziplinarmaßnahme muss der Dienstherr das Verhältnismäßigkeitsgebot beachten. Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist der Dienstherr verpflichtet, bei Bekanntwerden wiederholter morgendlicher Verletzungen der Kernarbeitszeit zunächst dem Verhältnismäßigkeitsgebot entsprechend durch niederschwellige disziplinare Maßnahmen zeitnah auf den Beamten einzuwirken.
Eine aufaddierte Gesamtzeit der täglichen Verspätungen kann in ihrer Schwere nicht einem monatelangen unerlaubten Fernbleiben vom Dienst gleichgesetzt werden. Der Dienstherr hatte einen Beamten, der in einer Vielzahl von Fällen die Kernarbeitszeit nicht eingehalten hatte, weil er morgens zu spät gekommen war, nach Durchführung eines Disziplinarverfahrens aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Diese Disziplinarmaßnahme war nach Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts überzogen (BVerwG, Urteil vom 28.03.2023 - 2 C 20.21). Eine angemessene Reaktion des Dienstherrn wäre eine Zurückzustufung gewesen. Der Beamte habe zwar ein schweres Dienstvergehen begangen, weil er über einen langen Zeitraum wiederholt die dienstliche Anordnung zum Beginn der Kernarbeitszeit nicht befolgt hat; der verspätete Dienstantritt sei die Regel gewesen. Die disziplinare Höchstmaßnahme sei aber nicht gerechtfertigt, meint das BVerwG. Denn die aufaddierte Gesamtzeit der täglichen Verspätungen könne in ihrer Schwere nicht einem monatelangen unerlaubten Fernbleiben vom Dienst gleichgesetzt werden. Mildernd sei bei der Maßnahmebemessung hier zu berücksichtigen, dass der Dienstherr bei zeitlich gestreckten Dienstpflichtverletzungen zunächst dem Verhältnismäßigkeitsgebot entsprechend mit niederschwelligen disziplinaren Maßnahmen auf den Beamten einwirken müsse.
Im Streitfall wäre laut BVerwG in Betracht gekommen, nach dem Bekanntwerden der Kernzeitverstöße im März 2015 zeitnah mit einer Disziplinarverfügung die Dienstbezüge zu kürzen, so die BVerwG-Richter. Allerdings stehe diesem Milderungsgrund gegenläufig als besonders belastender Umstand gegenüber, dass der Beamte sein Fehlverhalten auch nach Einleitung des Disziplinarverfahrens uneinsichtig und beharrlich fortgesetzt und dabei die Dauer seiner morgendlichen Fehlzeiten in erheblichem Umfang gesteigert habe. Dagegen sei kein mildernder Umstand darin zu sehen, dass die Zeit der morgendlichen Verspätungen durch abendliche Längerarbeit ausgeglichen wurde. Andernfalls läge darin eine Nichterfüllung der Gesamtarbeitszeit, die als weitere vorwerfbare Dienstpflichtverletzung hinzutreten würde, heißt es in der Entscheidung weiter.
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