Gibt es einen besonderen Kündigungsschutz auch ohne wirksam beantragte Elternzeit? Im Einzelfall kann das zutreffen - Informationen zum Arbeitsrecht von Rechtsanwälte / Fachanwälte der Kanzlei HAZ aus Offenburg.
Gibt es einen besonderen Kündigungsschutz auch ohne wirksam beantragte Elternzeit? In einem kleinen, aber rechtlich sehr interessanten Fall konnten wir für eine Klientin Vergütungsansprüche beim Arbeitsgericht in Offenburg durchsetzen.
Was war geschehen? Die Klientin arbeitete in Teilzeit mit 24 Stunden/Woche im Vertriebsinnendienst bei einem Versicherungsbüro. Die Mitarbeiterin wurde schwanger und beabsichtigte, Elternzeit für ein Jahr bis in den Juli 2014 zu nehmen.
Sie einigte sich mit Ihrem Chef auf eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit während dieses Jahres auf acht Stunden/Woche. Sie übersah aber, dass die Inanspruchnahme von Elternzeit schriftlich erklärt werden muss. Gegen Ende dieses Jahres kündigte die Mitarbeiterin ihr Arbeitsverhältnis auf den 31.08.2014 und erhielt plötzlich noch während ihrer vermeintlichen Elternzeit eine Kündigung des Chefs zum 31.07.2014.
Hierauf erhoben wir Klage gegen die Kündigung des Chefs und beantragten festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 31.08.2014 enden könne. Die Kündigung des Vorgesetzten sei unwirksam, weil die Mitarbeiterin sich in Elternzeit befunden habe, als die angegriffene Kündigung zugestellt worden sei und daher genieße die Mitarbeiterin besonderen Kündigungsschutz gem. § 18 BEEG. Das Unternehmen wehrte sich mit dem rechtlich korrekten Hinweis darauf, dass keine schriftliche Mitteilung zur Elternzeit vorliege und deshalb nach dem Gesetz auch kein besonderer Kündigungsschutz ausgelöst werde.
Wir haben eingewandt, uns sei bewusst, dass Elternzeit schriftlich zu beantragen sei, allerdings müsse berücksichtigt werden, dass das Unternehmen die Mitarbeiterin rein tatsächlich so behandelt habe, als sei alles rechtlich korrekt zugegangen. Man habe mehrfach in behördlichen Unterlagen bestätigt, dass Elternzeit genommen werde und man habe nachweislich eine neue Mitarbeiterin als „Vertretung in Elternzeit“ gesucht, um die durch die Elternzeit unserer Klientin ausfallende Arbeitszeit (24h – 8h = 16h/Woche) aufzufangen.
Man habe also bei unserer Klientin Vertrauen geschaffen, dass die rechtlich gesehen ja nicht wirksam erklärte „Elternzeit“ auch in Kenntnis der fehlenden schriftlichen Mitteilung hingenommen werde. Über ein Jahr sei das so gegangen, weshalb es dann rechtsmissbräuchlich sei, sich im Falle einer Kündigung nun plötzlich auf die fehlende schriftliche Mitteilung zur Elternzeit zu berufen.
Es bedurfte einigen Einsatzes, aber wir konnten das Arbeitsgericht von unserer Argumentation überzeugen. Unserer Klage wurde stattgegeben und der Arbeitgeber hat darauf verzichtet, das Urteil mit einer Berufung anzugreifen. Die Mitarbeiterin erhielt also ihre Vergütung für den Monat August 2014.
Arbeitsgericht Freiburg – Kammern Offenburg – vom 27.01.2015, 5 Ca 252/14
Anmerkung: Dieses Urteil ist aber eine Einzelfallentscheidung! Man sollte immer auf Nummer sicher gehen und sich rechtzeitig mit den Voraussetzungen der Elternzeit vertraut machen oder sich beraten lassen. Wirklich belastbar ist der besondere Kündigungsschutz für einen Elternzeiter nur, wenn alle Voraussetzungen hierfür gewahrt sind.
Die Entscheidung kann aber helfen, wenn man sich in einer vergleichbaren Situation befindet und man dann gut daran tut, den Sachverhalt professionell beurteilen zu lassen, denn möglicherweise öffnet sich ein Türchen, das man bisher übersehen hat.
Für eine detaillierte Rechtsberatung nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf: