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Urteil Schmerzensgeld Klinikum Ortenau

Stellungnahme von Rechtsanwalt Markus Hartmann zum Fall Schmerzensgeld vom Klinikum Ortenau für ein 8-jähriges behindertes Mädchen - Urteil Landgericht Offenburg 1.9.2017 - Informationen vom Rechtsanwälte HAZ in Offenburg.

Krankenhaus
Urteil Schmerzensgeld Klinikum Ortenau

In eigener Sache: Das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 1.9.2017 im Klageverfahren des heute achtjährigen Mädchens, das bei der Geburt schwer geschädigt wurde, hat relativ weite Kreise gezogen.


Die lokalen Medien, aber auch dpa und das SWR-Fernsehen berichteten.


Die Berichte waren, soweit wir das beurteilen können, sachlich und ausgewogen. Wir haben für Sie einen Kurzausschnitt aus der Landesschau vom 1.9.2017, 18:00 Uhr, den Mitschnitt eines Radioberichts von SWR 1 und SWR 4 und den Bericht des Offenburger Tageblatts vom 2.9.2017 beigefügt.


Landesschau BW - Urteil Landgericht Offenburg 1.9.2017


SWR Radio zum Urteil Klinikum Ortenau


Neben den Stellungnahmen unseres Kollegen Markus Hartmann, der das Mandat betreut, möchten wir das Urteil erläutern.


Natürlich fragt man sich zunächst, wie es überhaupt zu einem Prozess kommen konnte.


Die physiologischen Vorgänge im menschlichen Körper sind aber derart komplex und kompliziert, dass man in den wenigsten Fällen etwa vom ärztlichen Handeln auf eine bestimmte Folge, also beispielsweise einen Gesundheitsschaden schließen kann. Das bedarf sorgfältiger und extrem qualifizierter Aufklärung in einem Verfahren unter Mithilfe von Sachverständigen und sehr häufig bleiben auch dann derart viele Fragen offen, dass man nicht mit der notwendigen Sicherheit vom ärztlichen Handeln auf einen Behandlungsfehler und in der weiteren Folge auf einen Ursachenzusammenhang mit möglicherweise schlimmen Konsequenzen für den Patienten schließen kann.


Natürlich hatte auch das Ortenau Klinikum, sein Träger, sein Haftpflichtversicherer und die involvierten Ärzte im Fall des geschädigten Kindes vorab eine Überprüfung und Standortbestimmung vorgenommen. Man kam zu einem anderen Ergebnis als die Patientenseite, im Arzthaftungsrecht gewissermaßen das tägliche Brot.


Also mussten es ein Prozess und die in diesem Verfahren einzuholenden Gutachten externer Sachverständiger richten, wie praktisch immer in diesen Fällen und es ist nicht verkehrt zu sagen, dass Gutachter sehr häufig den Fall letztlich entscheiden.


Eingeklagt war für das Mädchen ein Schmerzensgeld von „mindestens“ 500.000,00 €, die Feststellung, dass der Träger des Ortenau Klinikums, der Landkreis Ortenaukreis sowie zwei in die Behandlung eingebundene Ärzte für sämtliche Folgen zu haften haben und ein bezifferter Schadensersatz im Umfang von ca. 65.000,00 €. Bei dieser bezifferten Position handelte es sich primär um sog. Pflegemehraufwand, d.h. in Geld ausgedrückter Ersatz für den Mehraufwand, den die Eltern im Fall ihrer behinderten Tochter gegenüber einem nicht behinderten Kind haben.


Beide Parteien tauschten sich im Verfahren aus und es wurden Gutachten zweier medizinischer Kapazitäten eingeholt, die zum Schluss kamen, dass in der Klinik Fehler gemacht worden waren, die das Gericht in einer Gesamtschau leider als grob beurteilte.


Herr Kollege Hartmann hat gemeinsam mit Ärzteschaft und Haftpflichtversicherer die Gutachten analysiert und man ist zum Schluss gekommen, dass die Haftung nach diesen Gutachten dem Grunde nach zu Recht besteht und daher nicht weiter bestritten werden soll.


Man hat im Anschluss aber keine Verzögerungstaktik betrieben, der Versicherer ist vielmehr auch im Sinne des Mädchens in die Offensive gegangen und hat ein wie wir finden sehr honoriges Vergleichsangebot in dieser extrem tragischen Angelegenheit unterbreitet.


Es sah als erstes Angebot die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 400.000,00 € vor.


Was aber noch viel wichtiger war – der Versicherer erklärte sich bereit, auf eigene Kosten für maximale Betreuung und Förderung des Mädchens mittels eines professionellen und bestens vernetzten Dienstleisters zu sorgen.


Um die Objektivität muss man sich dabei keine Sorgen machen.


Diese auch von der deutschen Anwaltschaft akzeptierten Dienstleister agieren unabhängig vom Versicherer und haben seit Jahren bewiesen, dass sie in der Lage sind, sehr erfolgreich verbliebene Potentiale beim Geschädigten auf- und auszubauen, um dem Geschädigten - soweit machbar – ein eigenständiges Leben zu ermöglichen.


Dieses gerade in diesem Punkt sehr attraktive Angebot wurde leider nie beantwortet.


Es kam zu einem letzten Verhandlungstermin im Juni 2017, in dem einer der Sachverständigen noch einmal zu den deprimierenden Aussichten des geschädigten Mädchens ausführte.


Das Landgericht teilte hierauf mit, die Kammer beziffere den Schmerzensgeldanspruch auf 500.000,00 €, akzeptiere den geltend gemachten Schaden in Höhe von 65.000,00 auch der Höhe nach und man addiere einen nicht weiter begründeten „Sicherheitszuschlag“ von 50.000,00, so dass die Zahlung eines Gesamtbetrages von 615.000,00 € vorgeschlagen werde.


Auch dieser Vorschlag wurde zwischen Herrn Kollegen Hartmann und dem Versicherer erörtert und man beschloss, ihm nicht zu folgen. Dies nicht, um sich einer Zahlungspflicht zu entziehen, bereits der eigene Vergleichsvorschlag des Versicherers hatte ja bewiesen, dass er selbst von einer Haftung ausging.


Es ging vielmehr um den wie erwähnt nicht weiter begründeten „Sicherheitszuschlag“, den das Landgericht formuliert hatte, für den man zumal ohne Begründung keine Grundlage erkennen konnte.


Ferner sah man erheblichen Klärungsbedarf beim Schaden in Höhe von 65.000,00 €. Die Klägerseite bezifferte den Pflegemehraufwand im Grunde für jeden Monat gleich hoch und zwar für den Zeitraum vom vierten Lebensmonat bis zum sechsten Lebensjahr.


Herr Kollege Hartmann hat daher in seinem abschließenden Schriftsatz darauf hingewiesen, dass dieser Pflegemehraufwand dem Grunde nach überhaupt nicht streitig sei.


Es sei aber auch für den Laien einleuchtend, dass der Mehraufwand bei einem behinderten sechsjährigen Mädchen deutlich größer sei als bei einem nicht behinderten sechsjährigen Mädchen, wohingegen eine Behinderung im Zusammenhang mit dem Pflegeaufwand im ersten Lebensjahr angesichts des ohnehin extrem hohen Pflege- und Betreuungsaufwands eines Neugeborenen bzw. Säuglings eine eher untergeordnete Rolle spiele.


Der Pflegemehraufwand wachse zweifellos mit den Jahren, aber eine schematische Berechnung ohne Berücksichtigung des jeweiligen Alters verbiete sich. Die Beklagtenseite habe einen Anspruch darauf, dass ein Schaden nicht gewissermaßen „über den Daumen gepeilt“, sondern konkret berechnet werde. Dieser Pflegemehraufwand müsse daher konkret berechnet und mittels Sachverständigengutachtens gesichert werden.


Wie das Urteil zeigt, hat das Landgericht diesen Bedenken Rechnung getragen.


Abweichend von der eigenen Ankündigung hat das Landgericht zwar einen um 10% höheren Schmerzensgeldbetrag zugesprochen, es hat aber im Weiteren nur einen grundsätzlichen Anspruch auf Ersatzes von Pflegemehraufwand zugesprochen und keinen bezifferten Vertrag.


Das bedeutet, dass die Klägerseite nicht mehr mit den bisherigen pauschalen Berechnungssystemen operieren kann, sondern konkret werden muss.


Abgewiesen wurde die Klage übrigens gegen einen der involvierten Ärzte.


Herr Kollege Hartmann wird nun mit dem Versicherer prüfen, ob Berufung gegen das Urteil eingelegt wird. Die Haftung dem Grunde nach hat man wie erwähnt ohnehin umgehend eingeräumt, da sich keiner auf Beklagtenseite seiner Verantwortung entzieht. Wenn, dann geht es um die Höhe der Ansprüche, hier primär wohl des Schmerzensgeldes.


Urteil Landgericht Offenburg vom 1.9.2017



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